




Vizekanzler Sigmar Gabriel, Außenminister und Vorsitzender der SPD, nahm sich vor zahlreichen Gästen im Riedelsaal der Hildesheimer Volkshochschule viel Zeit, um zunächst zum Thema „Wie und von was wollen wir morgen leben – Anforderungen an die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Entwicklung Deutschlands“ zu sprechen und danach die Laudatio auf Hermann Rappe zu halten. Daneben stellte sich Gabriel in einer Talkrunde den Fragen mehrerer Hildesheimer, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen kamen. Moderiert wurde die Talkrunde von MdB Bernd Westphal.
Sigmar Gabriel fühlte sich bei seinem Auftritt in Hildesheim sichtlich wohl. Seine frei gehaltene Rede war launig und humorvoll. Schon zu Beginn seiner Rede scherzte er: „Ich habe noch nie so viel Beifall bekommen wie nach meinem Rücktritt.“. Deutschland sei „ein Stabilitätsanker in Europa“, sagte er zur gesellschaftspolitischen Entwicklung Deutschlands. „Wir können nicht so tun, als sei das Land in einer schlechten Verfassung.“ Dennoch fand Gabriel, dass die SPD vieles noch gerechter und besser machen könne. Auf Distanz ging Gabriel zur Großen Koalition. Sie sei "auf Dauer nicht gut". „Dann besteht die Gefahr, dass die Kräfte am politischen Rand stärker werden“, meinte Gabriel. Zur Kandidatur von Martin Schulz führte Gabriel aus, Schulz komme von außen und werde deshalb nicht mit der Großen Koalition in Verbindung gebracht . Deshalb sei er auch für Viele andere wählbar.
Gekommen war der Parteivorsitzende aber nicht nur zu seinem Grundsatzreferat, sondern um die Hildesheimer Politiklegende Hermann Rappe zu ehren. Rappe war viele Jahre Bundestagsabgeordneter und ebenso lange Vorsitzender der Gewerkschaft Chemie-Papier-Keramik. Seit 70 Jahren ist er Mitglied der SPD. „Hermann Rappe repräsentiert die Nähe der SPD zu den Gewerkschaften wie kaum ein anderer“, sagte der Parteichef über den 87-Jährigen. "Arbeit muss einen Wert haben": Das war immer Rappes Credo. Ist der Geehrte nun vor allem Sozialdemokrat oder Gewerkschafter? Die Antwort auf diese Frage gab Hermann Rappe in seinen Dankesworten selbst: „Zu allererst war ich immer Sozialdemokrat.“ Nur in Staaten, in denen es auch eine sozialdemokratische Partei gebe, hätten sich freie Gewerkschaften entwickelt.
Für die Stadt Hildesheim war der Auftritt Sigmar Gabriels der zweite repräsentative Höhepunkt von deutschen Spitzenpolitikern innerhalb eines halben Jahres. Am 8. September 2016 hatte Frank-Walter Steinmeier, damals noch Bundesaußenminister und nach seiner am 12. Februar durch die Bundesversammlung erfolgten Wahl designierter Bundespräsident, auf dem Hildesheimer Marktplatz eine viel beachtete Rede gehalten. Am 23. Februar nun kam vom SPD-Parteivorsitzenden der Startschuss für den Bundestagswahlkampf. Am Schluss gab es stehende Ovationen – für Hermann Rappe, aber – und das war deutlich zu spüren – auch für den scheidenden Parteivorsitzenden, dem die SPD viel zu verdanken hat. Man darf sicher sein, dass es Sigmar Gabriel in Hildesheim gefallen hat.